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Song:Der Tankerkönig
Album:7 LiederGenres:Rock
Year:1972 Length:712 sec

Lyrics:

Hannes Wader
Der Tankerkönig


Es war an einem Morgen im Frühjahr, als ich meinen ersten Anfall bekam.
Ich hatte so'n bisschen über mich und das Leben nachgedacht,
als mir plötzlich speiübel davon wurde, und irgendwas drückte mir den Hals so zu,
dass ich dachte, ich müsste ersticken.
Ich stürzte auf die Straße, schnappte wie ein Irrer nach Luft,
aber es kam noch viel schlimmer:
Mir wurde schwindelig, ich drehte mich zehnmal um mich selbst und dachte,
alle Leute zeigten mit dem Fingern auf mich, bis ich dann merkte,
dass ich gar nichts anhatte.

Ich rannte, und rannte, fand dann irgendwann ein offenes Parterrefenster,
kletterte rein und verkroch mich, zitternd vor Angst und Kälte, in irgendeine Ecke.
Es dauerte eine ganze Weile, bis ich merkte,
dass ich mich in einem Trödelladen befand:
Der ganze Raum hing voll mit alten Klamotten,
und ich zog mir sofort eine Pluderhose, Stulpenstiefel und ein Kettenhemd an,
hängte mir noch 'ne alte Armbrust über die Schulter
und fühlte mich augenblicklich wieder gelassen und unangreifbar.
Ich marschierte über die Straße und stand dann plötzlich vor dem Personaleingang
des Kaufhauses, wo ich bis dahin die Papierverbrennungsanlage bedient hatte.
Als ich das sah, wurde mir schlecht vor Wut.
Ich rannte den Pförtner über den Haufen, riss sämtliche Telefonkabel ab,
brach die Stempeluhr aus der Wand und tobte weiter in die Verkaufsräume.

Als ich in die Spielwarenabteilung kam,
stand der erste Verkäufer wieder mal von einem Stützpfeiler
halb verborgen auf 'ner Leiter,
um die Kinder beim Klauen besser erwischen zu können.
Die liefert er dann immer der Geschäftsleitung aus und kassiert 'ne dicke Prämie
pro Nase. Sein dreckiges Grinsen, als er mich sah, brachte mich so auf,
dass ich, ohne zu zielen, meine Armbrust auf ihn abdrückte,
und der Bolzen fuhr ihm dicht am Hals vorbei durch den Anzugkragen
und nagelte ihm am Pfeiler fest. Ich trat die Leiter unter ihm weg
und ließ ihn da hängen wie 'nen Schluck Wasser,
und während er zappelte und schrie,
schmiss ich eine Stellage nach der anderen um
und verteilte das Spielzeug unter die Kinder.
Und mitten im größten Tumult tauchte der Chef des Hauses auf
und zischte mich an: 'Was machen Sie denn da?
Sofort kommen Sie mit in mein Büro, Sie Idiot!'
Ich spannte nur meine Armbrust und sagte:
'Leck mich doch am Arsch, du Motherfucker! Hände hoch und vorwärts!'
Er sah den Verkäufer am Pfeiler baumeln und wurde leichenblass.
Ich schubste ihn in den Lastenfahrstuhl,
ohne dass die Kunden deswegen stutzig wurden,
die das Ganze für 'ne Werbeaktion hielten, fuhr mit ihm in den Keller,
runter in die Papierverbrennung, und gab ihm einen Tritt,
und er flog durch das riesige Ofenloch mitten ins Feuer,
und als draußen die Polizeisirenen heulten,
war schon nichts mehr von ihm übrig.
Ich rannte nach draußen, warf die Armbrust weg,
schwang mich auf ein herrenloses Damenfahrrad
und jagte quer durch die City zum Ortsausgang,
und nach einer Stunde Fahrt fiel ich halb tot vor Erschöpfung vom Rad
und schlief unter einem Gebüsch ein.
Am nächsten Morgen war es eisig kalt,
und mit der Kälte kam die Angst:
Ich hatte eine Führungskraft umgebracht.
Jetzt würde man mich überall suchen und hetzen.
Und in meiner Panik wühlte ich mich immer tiefer
und tiefer in den Wald,
und gegen Mittag fand ich einen verlassenen Luftschutzbunker.
Die Tür war offen, und in einer Ecke lag eine Maschinenpistole,
in Ölpapier gewickelt, und eine Kiste Munition.
Ich setzte die Waffe zusammen - sie funktionierte -
und ich fühlte mich sofort wieder unbesiegbar.
Ich beschloss, mich im Bunker einzurichten
und mir gleich Vorräte zu beschaffen, um in der Illegalität überleben zu können.
Und noch am selben Tag knackte ich drei Banken.
Ich zwängte mich jedes Mal mit dem Fahrrad durch die Tür,
drehte eine Runde im Schalterraum, feuerte mit der MP in die Decke,
dass der Kalk nur so spritzte, und schrie:
'Ich bin der Rattenfänger von Hameln, wo sind hier die Mäuse?'
Und als ich auf diese Weise hunderttausend Mark zusammen hatte,
ging ich noch schnell in den Supermarkt einkaufen
und erreichte dann auf Schleichwegen wieder meinen Bunker.

Ich blieb so lange unsichtbar,
bis keine Zeitungsmeldungen mehr über mich erschienen,
beschaffte mir dann so nach und nach alles, was ich brauchte,
und verlebte ein paar sehr ruhige Monate.
Ich pflanzte Hanf im Blumenpott, rauchte ab und zu einen Joint
und schaukelte bei sonnigen Wetter in meiner Hängematte
und hörte, die MP auf dem Bauch, die Hitparade im Kofferradio
und war glücklich, aber, wie alle glücklichen Leute,
nach 'ner Weile schon nahe am Verblöden.
Und um dem entgegenzuwirken, schrieb ich zentnerweise Leserbriefe
und badete ab und zu in einem eingezäunten See,
der in der Nähe lag und der dem Tankerkönig gehörte.




 

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